Joas Nebe

Spielen bis zur Achtsamkeit
Interview mit Joas Nebe von Rebecca Schoensee (Auszug)

"Es ist ein nicht enden wollendes Spiel der Desintegration. Ich fordere den Betrachter heraus, indem ich seine Erwartungen nicht erfülle. Ich verweigere ihm die Befriedigung, das Rätsel zu lösen, das in der Tiefe...

Spielen bis zur Achtsamkeit
Interview mit Joas Nebe von Rebecca Schoensee (Auszug)

"Es ist ein nicht enden wollendes Spiel der Desintegration. Ich fordere den Betrachter heraus, indem ich seine Erwartungen nicht erfülle. Ich verweigere ihm die Befriedigung, das Rätsel zu lösen, das in der Tiefe meines Kunstwerks verborgen ist." Indem er sein filmisches Kuriositätenkabinett in ein faszinierendes Puzzle aus hybriden geometrischen Mustern verwandelt, reizt Joas Nebe den Betrachter, sich auf sein Spiel einzulassen. Er glaubt: "Solche Rätselspiele wecken Kreativität und geben die Rolle des Künstlers an den Betrachter weiter."

Die Vernunft zum Gefangenen machen

Für Nebe sind "Fantasie und kreative Intelligenz heute wichtige Überlebensfähigkeiten." Das gilt auch für Schach, eine Analogie, auf die er immer wieder verweist: "Schach ist ein Beispiel für mein Spiel mit dem Zuschauer. In einer Welt, in der die Aufmerksamkeitsspanne immer kürzer wird, ist es ein ideales Konzentrationstraining. Man muss immer ein paar Schritte im Voraus denken." Indem er den Irrsinn unserer täglichen Hetzjagd auf den evolutionären Bankrott vorführt, nimmt Nebe in einem geschickten Schachzug die Vernunft gefangen, um dann die Vernunft zum König seines Schachspiels zu ernennen. Er fordert eine genaue Überprüfung der Enzyklopädie unserer philosophischen und kulturellen Grundlagen. Seiner Meinung nach hat die Vernunft das Potenzial, einen Weg weg vom horror vacui zu weisen, den er darstellt: "Das Modell der Aufklärung ist zunehmend diskreditiert worden, zu Unrecht, wie ich meine. Überleben und Zusammenleben sind heute nur noch möglich, wenn man sich von der Fähigkeit der Vernunft leiten lässt. Bezeichnende und konnotierende intellektuelle Kategorien helfen, neue Zusammenhänge ins Blickfeld zu rücken und ungeahnte Erkenntnisbedingungen zu gewinnen."

Der Interview-Essay "Gaming Into Mindfulness" ist im Humanize Magazine, Ausgabe 11, S. 20-31, erschienen.