Konzept
Welt der Glückseligkeit - Welt der Bedrohung
Das fließende Universum von Yiannis Roussakis
Die visuellen Kompositionen von Yiannis Roussakis sind wie aufeinanderfolgende Wandgemälde als mehrteilige Installation angelegt. Ich stehe vor diesen Zeugnissen dichter Erzählung, durchsetzt mit versöhnl...
Welt der Glückseligkeit - Welt der Bedrohung
Das fließende Universum von Yiannis Roussakis
Die visuellen Kompositionen von Yiannis Roussakis sind wie aufeinanderfolgende Wandgemälde als mehrteilige Installation angelegt. Ich stehe vor diesen Zeugnissen dichter Erzählung, durchsetzt mit versöhnlichen Versuchen, eine gemeinsame Basis neu zu definieren, und ich habe das Gefühl, als stünde ich am Rande einer Klippe. Niemals zuvor in der jüngeren Geschichte gab es ein derart angespanntes Zusammentreffen von Gefühlen der Unsicherheit und der Ungewissheit. Noch nie war der Mangel an Vertrauen so groß wie heute, wo wir durch das 21. Jahrhundert galoppieren.
Jahrhundert galoppieren. Doch trotz der semantischen Deutung dieser Bilder von Verheißung und Bedrohung sind die digitalen Collagen von Yiannis Roussakis für sich genommen eine Welt von selbst existierender Schönheit. Angesichts dieser ästhetischen Vollkommenheit (ein vollständiger und allumfassender Eindruck) verwandeln sich die visuellen Erzählungen nach und nach in kleine Altäre vergangener Glückseligkeit. Eine vertraute Welt, die sich zurückzieht, eine erdachte Welt in obsessiver Erinnerung.
Mehr als ein ritueller Akt des Erwachens, erfüllen diese Bilder gleichzeitig die Funktion einer kaleidoskopischen Wahrnehmung der Welt. Eine Welt, die sich in Wirbeln bewegt und sich in Bahnen ins Unendliche ausdehnt. Die Heiligkeit des Augenblicks wird im zeitlosen Universum verfeinert und die Individuation der Existenz verflüchtigt sich in den Dämpfen der Selbstverwirklichung.
Yiannis Roussakis, der die Kunst und Technik der digitalen Collage beherrscht, geht - vermutlich mühelos und unbeabsichtigt - zur Strukturierung und räumlichen Anordnung eines Hinterlandes der Psyche über. Dieses Hinterland scheint weit und universell zu sein, es gleicht einem Land der Träume und illusorischen Projektionen, einem Land, in dem alles schon geschehen ist oder alles geschehen könnte. In dieser Zeitkapsel mit all den Utensilien des heranreifenden 20. Jahrhunderts wird Yiannis Roussakis selbst zum Vermittler einer Landschaft voller Widersprüche, in der das Individuum zwischen Präsenz und Abwesenheit oszilliert. Das Individuum erhebt sich, das Individuum wird erdrückt.
Die ästhetischen Bezüge dieser Welt, fragmentiert, aber letztlich kohärent und in der Disposition einer vollständigen Erzählung, werden in dieser visuellen Abfolge von Bildern dargestellt, die die Wahrnehmung um das Erbe der Nachkriegswelt koordinieren.
Für ältere Betrachter, oder zumindest für diejenigen, die in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts aufgewachsen sind, ist das Erbe der historisch jüngeren Vergangenheit erkennbar, vertraut und voller Symbolik sowie wieder auflebender Emotionen. Die Nachkriegswelt von 1950 bis 1990 war grob auf den instabilen, aber dennoch existierenden Prinzipien des Fortschritts, eines gewissen Vertrauens in die Zukunft, des bulimischen Konsums, der allgegenwärtigen Kunst und des geopolitischen Gleichgewichts aufgebaut.
Das ist die Welt, in der die Werte der Freizeit, der Erholung und des Wettbewerbs gedeihen, in der die Koordinaten des Glücks und der sukzessiven Verweigerung neu definiert werden, in der die Familie und das individuelle Selbst, der Körper und die Phantasie als miteinander verbundene Kräfte aufeinandertreffen. In diesem Universum gibt es immer einen Don Quijote, der vom Fernseher springt.
Yiannis Roussakis greift jedoch auf die Ikonographie von gestern zurück, nicht um über die Vergangenheit zu sprechen, sondern um über das Jetzt zu sprechen. Die ungezügelte allegorische Kraft seiner Bilder, die mit Harmonie und Vorstellungskraft komponiert sind und die Grenze zur autarken Kunst erreichen, ohne semantische Erklärungen zu benötigen, empfängt uns auf trügerische Weise und lockt uns in ein dystopisches Land.
Die surreale Ikonographie seiner digitalen Collagen baut einen Mythos auf, der solide, aber auch schwer fassbar ist, zweifellos attraktiv, aber auch zweideutig, in Schattierungen von Hell-Dunkel und mit einer offensichtlichen, fast selbstzerstörerischen Neigung zu Rissen und Fragen. Unter diesen Ozeanen der plethorischen Botschaften und den scheinbar endlosen Horizonten des ewigen Sonnenaufgangs wird ein Schatten geworfen, wir können den dumpfen Klang des Bruchs hören.
Yiannis Roussakis ist ein Dichter der Bilder. Er ist auch ein Anatom des Zeitgeistes, des Geistes einer Epoche, einer undefinierbaren Atmosphäre, die leichter zu spüren als mit Worten zu beschreiben ist. Aber durch diese Explosion von Farben, schmackhaften Kontrasten, hybriden Lebensgemeinschaften und endlosen Überraschungen entfaltet Yiannis Roussakis die bereits befleckte und zerrissene Fahne des 21. Jahrhunderts.
Er erzählt die menschliche Tragikomödie mit Selbstsarkasmus, aber auch mit dem Gefühl einer engagierten Theatralik. Dieses theatralische Element, das sich aus der Kunstgeschichte, der Werbung und der Massenkultur speist, wird allmählich durch die Saat des Zweifels und der Selbstbefragung befruchtet. Die neue Theaterbühne der Menschheit ist auf Stelzen gebaut, es ist ein Wandertheater, das auf Sand oder Wasser steht, die Schauspieler tragen groteske Masken, ihre Rollen reifen vom narzisstischen Supermann zum gefallenen Bettler.
Doch Yiannis Roussakis ist nicht in der Stimmung, zu belehren oder zu warnen. Er entfaltet einfach eine philosophische Reflexion über die Kultur der Massenentmystifizierung und formuliert flüsternde Fragen, die manchmal wie Risse in der Membran der Selbstgefälligkeit klingen. Der neue Menschentyp des 21. Jahrhunderts, der in der Rüstung eines überschätzten Egos lebt, wird in einen Hinterhalt geraten und von den Umständen dazu gebracht, einen inneren Tyrannen zu besiegen.
Die Collagenserie "Live Like This" von Yiannis Roussakis ist eine Hymne an die Fantasie und die Schönheit sowie ein Weckruf gegen Eitelkeit und Zynismus. Ich bewahre das emotionale und ästhetische Universum seiner Bilder wie einen Talisman auf. Die Symbolik seiner Bilder überdauert die Zeit des Betrachtens, sie ist eine Art Kommunion, beglückend und verstörend zugleich.
Dies ist ein Evangelium einer Epoche. Eine Allegorie, die sich wie ein endloses Wandgemälde entfaltet.
Nikos Vatopoulos
Leitender Kunstredakteur, Zeitung "Kathimerini" (Griechenland)